Kündigung – Härtefall bei hohem Lebensalter

BGH, Urteil vom 03.02.2021 – VIII ZR 68/19
Wohnraummietrecht

Sachverhalt:

Die Mieterin hatte im Jahre 1997 eine Wohnung in Berlin angemietet. Die Mieterin ist im Jahre 1932 geboren. Die Vermieterin hat die Wohnung im Jahre 2015 erworben und hat der über 80 Jahre alten Mieterin wegen Eigenbedarfs gekündigt.

Die Mieterin widersprach der Kündigung unter Verweis auf ihr hohes Alter, ihren beeinträchtigten Gesundheitszustand, ihrer langjährigen Verwurzelung am Ort der Mietsache und ihre für die Beschaffung von Ersatzwohnraum zu beschränkten finanziellen Mittel.

Das Landgericht Berlin hat die Räumungsklage unter Verweis auf das hohe Alter der Mieterin abgewiesen.

Entscheidung:

Der BGH hebt die Entscheidung auf und verweist den Rechtstreit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurück an das Landgericht.

Weder mit Blick auf den in Art. 25 der Europäischen Grundrechtscharta verbrieften Schutz älterer Menschen noch unter Berücksichtigung des in Art. 1 Abs. 1 GG sowie dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) verankerten Schutzes der Menschenwürde ist es geboten, nach der Lehre der „mittelbaren Drittwirkung“ der Grundrechte eine Härte im Sinne von § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB allein aufgrund des hohen Lebensalters eines Mieters zu bejahen.

Auch eine langjährige Mietdauer (hier zum Zeitpunkt der ersten Eigenbedarfskündigung rund 18 Jahre) lässt für sich genommen noch nicht auf eine tiefe soziale Verwurzelung des Mieters am Ort der Mietsache schließen. Vielmehr hängt deren Entstehung maßgeblich von der individuellen Lebensführung des jeweiligen Mieters ab, namentlich davon, ob er beispielsweise soziale Kontakte in der Nachbarschaft pflegt, Einkäufe für den täglichen Lebensbedarf in der näheren Umgebung erledigt, an kulturellen, sportlichen oder religiösen Veranstaltungen in der Nähe seiner Wohnung teilnimmt und/oder medizinische oder andere Dienstleistungen in seiner Wohnumgebung in Anspruch nimmt.

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